Prozessqualität in verschiedenen Formen der Altersmischung in der Kindertagesbetreuung – Macht’s die Mischung?

im Auftrag der GEW Baden-Württemberg

Die Studienanalysen basieren auf den Daten der „Nationalen Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK)” (Tietze et al. 2013). Diese wurde von 2009 bis 2011 in acht Bundesländern durchgeführt und lieferte Daten von 1956 Familien mit 2- und 4-jährigen Kindern sowie von 164 Kindertagespflegestellen und 403 Gruppen in Kindertagesstätten (siehe NUBBEK).

In der NUBBEK-Studie zeigte sich eine deutliche und statistisch hochsignifikante geringere Prozessqualität in den altersgemischten Gruppen (0/1/2-6) als in den altershomogenen Gruppen (0-3, 3-6).

Die Hauptfragestellungen der vorliegenden Studie zielten somit auf die Ursachenanalyse des qualitativen Unterschieds der beiden Gruppenformen:

  • Sind es die „schlechteren Strukturen” in der Altersmischung, die für die Qualitätsunterschiede verantwortlich sind?
  • Zeigt die Altersmischung in Verbindung mit offener Arbeit eine andere Prozessqualität als in Verbindung mit Arbeit in festen Gruppen?
  • Ist es die Gruppenform der Altersmischung als solche, die es grundsätzlich zu hinterfragen gilt, oder muss zwischen unterschiedlichen Arten von altersgemischten Gruppen differenziert werden, wenn man die Prozessqualität betrachtet?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden zunächst die Rahmenbedingungen näher ausgewertet. Wichtig war es herauszufinden, ob und unter welchen Bedingungen die altersgemischten Gruppen ihr Potential entfalten können. Weiterhin wurde der Einfluss der Gruppenstruktur („feste Gruppen” vs. „offene Gruppen”) auf die Prozessqualität betrachtet und mit der Altersmischung in Zusammenhang gebracht. Darüber hinaus wurden die Varianten der Altersmischung detaillierter betrachtet und zwischen erweiterter (2-6) und großer (0/1-6) Altersmischung differenziert. Danach wurde der Einfluss des Anteils von Kindern unter drei Jahren an der Gruppenzusammensetzung auf die Prozessqualität betrachtet. Abschließend erfolgte eine Untersuchung der konzeptionellen Verankerung der Altersmischung, um zu überprüfen, ob an dieser Stelle eine gewisse Form der inhaltlichen Auseinandersetzung von Team und Leitung mit dem Thema Altersmischung sichtbar wird.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Eine Ursache für die schlechtere Prozessqualität in altersgemischten Gruppen ist deren geringere Strukturqualität, festzumachen vor allem an dem unzureichenden Personalschlüssel und dem höheren Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Die unzureichenden Rahmenbedingungen erklären speziell für die Krippenkinder in altersgemischten Gruppen einen Großteil der gefundenen Qualitätsunterschiede.
  • Insbesondere für die Überdreijährigen in den altersgemischten Gruppen zeigt sich ein eigenständiger negativer Effekt der „Altersmischung”, der nicht durch mangelhafte Strukturen sondern eher durch pädagogisch-konzeptionelle Schwachstellen erklärt werden kann.
  • Gruppen, die offen arbeiten – hier vor allem organisatorisch definiert als Gruppen, die zumindest für einen Teil des Tages oder an bestimmten Tagen in der Woche aufgelöst werden – zeigen für die Überdreijährigen eine höhere Prozessqualität, vor allem hinsichtlich Bildungsaspekten.
  • Offene Arbeit geht oft, aber nicht zwangsläufig, mit Altersmischung einher, da offene Arbeit auch in altershomogenen Krippen- bzw. Kindergartengruppen zu finden ist. Der Einfluss der Altersgruppierung (altersgemischt bzw. altershomogen) sowie der Einfluss der Gruppenstruktur (offene bzw. feste Gruppen) auf die Prozessqualität zeigen sich (statistisch) unabhängig voneinander. Die beste Prozessqualität findet sich in altershomogenen Gruppen mit offenem Konzept und die geringste in altersgemischten Gruppen mit fester Gruppenstruktur.
  • Deutliche Unterschiede finden sich bei der separaten Betrachtung verschiedener Formen der Altersmischung. In Gruppen mit erweiterter Altersmischung (2-6) finden vor allem Kinder im Krippenalter eine signifikant schlechtere Prozessqualität vor als in altershomogenen Krippengruppen (0-3). Die Unterschiede für Krippenkinder in großer Altersmischung (0/1-6) und Krippenkindern in Krippengruppen sind demgegenüber kleiner und statistisch nicht signifikant. Dies liegt zum Teil daran, dass die große Altersmischung in ihren Strukturqualitätsdaten eher Krippengruppen (0-3) ähnelt, die erweiterter Altersmischung dagegen eher Kindergartengruppen (3-6), mit relativ großen Gruppen, schlechtem Personalschlüssel und erhöhtem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund.
  • Auffällig ist, wie wenig das Thema „Altersmischung” in die pädagogischen Konzeptionen der Einrichtungen einfließt. In nur einem Viertel der vorliegenden Konzeptionen wird das Thema Altersmischung thematisiert. Dies ist in Gruppen mit großer Altersmischung weit häufiger der Fall.
  • Um eine Qualitätsentwicklung in altersgemischten Gruppen voranzubringen, ist es neben einer deutlichen Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen essentiell, das Inklusionsthema „Alter – ein Diversitätsmerkmal” in Theorie und Praxis zu verankern. Altersmischungsbeauftragte, Teamfortbildungen zum Thema Altersmischung sowie regelmäßige Qualitätschecks sind mögliche Schritte auf dem Weg zur Professionalisierung. Sonst können – wie die Auswertungen zeigen – die berechtigten Erwartungen an eine gute Entwicklungs- und Bildungsbegleitung in der Kindertagesbetreuung, insbesondere für die erweiterte Altersmischung (2-6), nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden.

Bensel, J., Haug-Schnabel, G., Aselmeier, M. (2015) Prozessqualität in verschiedenen Formen der Altersmischung in der Kindertagesbetreuung – Macht´s die Mischung? Studie im Auftrag der GEW Baden-Württemberg, Stuttgart.

Projektstudie:
http://www.gew-bw.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=36939&token=08b1f3efc082c27c671927e897b6cd96a1ed6423&sdownload=